Home away from home
© Gerald Schriebl

Home away from home

Interview mit Gerald Schriebl vom schriebling – ingenieurbüro für innenarchitektur

Die Orte Lech und Zürs sind für viele Gäste ein zweites Zuhause. Oder wie es Innenarchitekt Gerald Schriebl treffend beschreibt: ein „home away from home“. Auch er kehrte nach beruflichen Aufenthalten in den USA und Großbritannien zurück in seine Heimat am Arlberg und prägt dort das Interior Design des kleinen Orts mit. Mit La Loupe sprach Gerald Schriebl über britische Einflüsse in Lech, seine eigenen vier Wände und erklärt, warum man auch bei der Gestaltung von Hotels experimentierfreudig sein sollte.

„Wenn man in das Dorf kommt, hat es etwas sehr Wohliges an sich.“

L.L. / Herr Schriebl, sie kommen ursprünglich aus der Region Lech Zürs, nach einem langen Auslandsaufenthalt sind Sie auch wieder von hier aus tätig. Welche charakteristischen architektonischen Elemente fallen Ihnen auf Anhieb ein, wenn Sie an das beschauliche Bergdorf denken?

G.S. / Generell gibt es einige einheitliche Elemente wie die Höhe der Gebäude, die Dachformen und die verwendeten Materialien. Eben Schindeln, viel Holz. Es wird viel Wert darauf gelegt, dass das Gesamtbild harmonisch wirkt. Wenn man in das Dorf kommt, hat es etwas sehr Wohliges an sich – gerade aufgrund des Kessels, in dem Lech liegt. Ich selbst bin aus Zug, hier fällt mir sofort die Kirche mit dem Schulhaus ein. Das Beleuchtungskonzept in Lech ist sehr gelungen, beispielsweise wird der Fluss stimmungsvoll, aber sehr dezent in Szene gesetzt. Im Winter ist es wirklich ein Winterwonderland. All diese Facetten machen Lech, Zürs und die Region einzigartig.

La Loupe Gerald Schriebl Lech 8 75e10b6qz

Büro Wien
„Teamwork ist für mich sehr wichtig.“

L.L. / 2014 haben Sie die Gesamtplanung der Inneneinrichtung des Schmelzhofs in Lech übernommen. Schon beim Betreten des Boutiquehotels fällt auf, dass viele Elemente sehr britisch wirken. Einflüsse, die Sie aus Ihrer Zeit in London mitgebracht haben?

G.S. / Auf jeden Fall hat mich meine Zeit in London sehr geprägt. Das war sicher auch der Grund, warum mich die Gastgeber Gitti und Robert Strolz angesprochen haben. In der Inneneinrichtung finden sich wirklich sehr viele britische Elemente, aber wir haben uns auch in Paris inspirieren lassen. Die Inneneinrichtung ist sehr gelungen und die Mischung wirkt auch nicht fremd. Man kommt an und ist sofort im Schmelzhof. Den Charakter vom Haus haben wir sehr bewahrt. Es ist bunt, fröhlich, weich, plüschig und verspielt. Und genau das können die Briten sehr gut. Gitti war das sehr wichtig und sie hatte klare Vorstellungen davon, was sie möchte.

Für mich war der Schmelzhof eine große Chance, um mich selbstständig zu machen. In Wien haben wir ein Büro, das nennt sich „Backraum“, früher war es eine Bäckerei. Dort arbeiten wir zu sechst. Jeder von uns ist selbstständig, wenn aber ein größeres Projekt ansteht, helfen wir zusammen. Teamwork ist für mich sehr wichtig.

„Es war für mich schon immer klar, dass ich Innenarchitektur machen möchte.“

L.L. / War der Schmelzhof Ihr erstes großes Projekt auf selbstständiger Basis?

G.S. / Ja, in dieser Zeit habe ich mich selbstständig gemacht. Ich habe zuvor in London schon für diverse Firmen Stadt- und Landhotels sowie europaweit mehrere private Wohnhäuser eingerichtet. Ich bin mit der Hotellerie groß geworden. Meine ganze Familie ist in diesem Business tätig und deshalb liegt es mir auch sehr am Herzen.

L.L. / Können Sie Ihre Erfahrungen im Hotelgewerbe oft auch für die Architektur nutzen?

G.S. / Ja, ich kenne die Abläufe sehr genau und meine Auslandsaufenthalte kommen mir auch zugute. Ich kann mich in den Stadturlauber hineinversetzen und weiß, welche Ansprüche er hat. Ich koche und bewirte immer noch gerne. Die Kombination aus Gastgewerbe und Architektur kann ich oft zu meinem Vorteil nutzen.

„Für mich ist es wahnsinnig wichtig, meinen Horizont zu erweitern.“

L.L. / Sie machten Diplome am Central Saint Martins College und am Chelsea College of Arts in London und arbeiteten in der britischen Hauptstadt fast zehn Jahre bei renommierten Architekturbüros wie Collett-Zarzycki und David Collins. Was hat Sie damals ganz besonders geprägt?

G.S. / Das Schulsystem in London war etwas komplett Neues. Ich glaube, dort fängt man viel früher an, Kreativität zu fördern. Das hat mir sehr gut gefallen. 60 bis 70 Prozent der Studierenden kamen aus der ganzen Welt. All diese verschiedenen Inputs haben mir sehr viel gebracht und mich fasziniert. Es war für mich schon immer klar, dass ich Innenarchitektur machen möchte. Ich habe vier Jahre in London studiert, angefangen habe ich mit 22 Jahren. Nach dem Abschluss bin ich zwei Jahre nach New York gegangen. Danach bin ich zurück nach England und habe sofort einen tollen Job bei Collett-Zarzycki bekommen. Dort war ich fünf Jahre tätig, bis ich dann zu David Collins gewechselt habe. Es war schon immer mein Traum, mit ihm zu arbeiten, denn er war der Star der Innenarchitektur in London. Sein Büro umfasste 50 Mitarbeiter. In Großbritannien ist Innenarchitektur wirklich eine Industrie und nicht nur ein Hobby des Architekten. Die Kundschaft war international, wir haben in Marrakesch, Warschau und Paris Häuser eingerichtet und ein Weingut in Südafrika gestaltet.

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Bar im Boutiquehotel Schmelzhof
„Das Gefühl, wenn man den Flexenpass überwunden hat, ist einzigartig.“

L.L. / Geht Ihnen die Internationalität hier in Lech und Zürs etwas ab?

G.S. / Nein, nicht wirklich. Ich arbeite ja nach wie vor an Projekten in London. Dann fliege ich ein paar Tage hinüber, treffe meine Kunden, besuche Freunde und sammle neue Energie und Inspiration. Ich reise einfach gern. Für mich ist es wahnsinnig wichtig, meinen Horizont zu erweitern. Die Region Lech Zürs wird aber immer Heimat sein. Das Gefühl, wenn man den Flexenpass überwunden hat, ist einzigartig. Dann ist man angekommen. Dieses Gefühl haben auch viele Gäste.

L.L. / 2013 entschieden Sie sich dazu, wieder nach Österreich zurückzukehren und gründeten schriebling ingenieurbüro für innenarchitektur in Lech am Arlberg und Wien. Sind Sie als Innenarchitekt in Wintersportdestinationen wie Lech vor andere Herausforderungen gestellt als in großen Städten?

G.S. / Wir haben ein sehr internationales Publikum aus aller Welt. Die Menschen reisen viel, kennen sich aus und haben hohe Ansprüche. Man muss für die Lech-Gäste einen Wohlfühlort kreieren, damit sie sich auch hier zuhause fühlen. Wir haben sehr viele Stammgäste und für die ist Lech ein „home away from home“. Viele haben sehr starke Erinnerungen an ihre Aufenthalte und möchten beispielsweise immer das gleiche Zimmer. Die Herausforderung besteht darin, den Gästen ein ganz bestimmtes, unverwechselbares Gefühl zu vermitteln. Das schaffen wir mit den verwendeten Materialien: mit Holz, mit Feuer, mit guten Ausblicken und natürlichen Produkten.

„Aus dem Katalog haben wir gar nichts bestellt.“

L.L. / Ist es oft schwierig, Stammgäste und Einheimische von neuen Konzepten zu überzeugen? Wie vermittelt man neue Ideen?

G.S. / Ich weiß, dass es da eine Angst gibt. Wir nehmen bei einer Umgestaltung vorhandene Elemente und tauschen nicht komplett alles aus. Wir arbeiten dabei mit vertrauten Farben und bekannten Materialien. Die Muster werden beispielsweise reduzierter. Wir gehen sanft, aber bestimmt vor. Im Nachhinein sind die Stammgäste hoffentlich positiv überrascht.

L.L. / Im Dezember zeigt sich das Stammhaus der Sonnenburg in neuem Gewand. Sie sind für das Interior Design verantwortlich. Welche Ideen haben Sie für das Hotel entwickelt?

G.S. / Da fast alle Zimmer einen unterschiedlichen Grundriss haben, haben wir sehr viel maßgeschneidert. Jedes Möbelstück haben wir selbst gezeichnet. Gemeinsam mit Heidi Sutterlüty-Kathan von ‚Weiberwirtschaft’ konnten wir eine einzigartige Tapete für das Hotel entwerfen. Heidi arbeitet mit einer Gruppe nach Österreich geflüchteter Frauen, die für uns Polster bestickt haben. Außerdem haben wir Stoffe weben lassen und die Teppiche entworfen. Wir hatten zum Glück Zeit, denn es war ein langer Prozess. Man merkt sofort, dass alle Facetten sehr maßgeschneidert sind. Aus dem Katalog haben wir gar nichts bestellt.

„Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter, viele Familien betreiben die Hotels schon über Generationen.“

L.L. / Sehen Sie irgendwann die Gefahr, dass die von Ihnen gestalteten Räume sich nach einer gewissen Zeit sehr ähnlich sehen?

G.S. / Ich darf natürlich nie anfangen, mich selbst zu kopieren. Der Arbeitsprozess mit den Auftraggebern in Lech und Zürs ist aber so persönlich und individuell, dass das wohl nicht vorkommt. Jedes Haus hat seinen eigenen Charakter, viele Familien betreiben die Hotels schon über Generationen.

L.L. / In Lech und Zürs gibt es sehr strenge Bauvorschriften, beispielsweise sind nur Satteldächer erlaubt. Wie wichtig sind traditionelle Elemente in der Region? Und ist es trotzdem möglich, Experimente zu wagen?

G.S. / Ja, ich finde schon. Im Bregenzerwald beispielsweise konnte man diese beiden Aspekte sehr schön verbinden. Ganz traditionelle Häuser treffen auf moderne Glaskomplexe. Ich finde, das ergänzt sich. Man muss es nur behutsam und vorsichtig machen. Gerade bei Liftbauten würde ich mich gerne mal austoben, ich würde Glaspaläste hinstellen. In dieser Hinsicht erwartet uns am Arlberg viel Neues, da bin ich schon sehr gespannt drauf.

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Dantendorfer Salzburg
„Die Gäste wollen sich in einem Hotel zuhause fühlen, und das ist die Kunst.“

L.L. / In London haben Sie Privathäuser gestaltet, in Lech und Zürs sind Sie häufig in Hotels im Einsatz. Wo liegen die Unterschiede in Bezug auf Ihre Arbeit als Innenarchitekt?

G.S. / Ich habe mich oft gefragt, warum ich in einem Hotel nicht auch etwas wagen sollte. Klar muss die Einrichtung eher zeitlos sein, vielleicht auch etwas klassisch. Im Privatbereich kann man sich hingegen austoben. Da spielt auch das Budget nicht so eine große Rolle und oft hat man mehr Zeit für die Umsetzung. Am Arlberg werden die Hotels Anfang Dezember aufgesperrt. Die Gäste wollen sich in einem Hotel zuhause fühlen, und das ist die Kunst. Das ist oft ein lebenslanges Projekt. Ich merke häufig bei Privathäusern, dass es schwierig ist, die Vorstellungen eines Paares zu vereinen. Sie haben oft verschiedene Ideen und ich fühle mich manchmal wie ein Mediator. Im Hotel ist das aber genauso. Es gibt also Ähnlichkeiten in den beiden Bereichen. Heutzutage darf man sich aber ruhig etwas trauen. Die Gäste sind gerade in Lech auf der Suche nach dem Besonderen.

„Die Gäste sind gerade in Lech auf der Suche nach dem Besonderen.“

L.L. / Welche Träume haben Sie und welche Projekte stehen hier in naher Zukunft an?

G.S. / Ein Traum wäre ein Projekt mit kleineren Hütten hier in der Region. Glamping (Anm. „Glamorous Camping“) in der Natur würde mir gefallen. Außerdem würde ich gerne mal ein futuristisches Privathaus, zum Beispiel in Hollywood, einrichten. Ich finde es schön, neue Eindrücke zu sammeln und neue Kulturen und Menschen kennenzulernen.

L.L. / Besonders spannend für Außenstehende: Wie gestalten Architekten ihre eigenen vier Wände? Was ist das Herzstück Ihres Heims?

G.S. / Ich bin so viel unterwegs, dass ein tolles Bett extrem wichtig ist. Als Herzstück würde ich aber trotzdem den Esstisch bezeichnen. Dort finden wichtige Gespräche statt. Dort kommt man zusammen und ich koche gerne für meine Freunde. Generell probiere ich immer wieder neue Dinge aus und ändere im Laufe der Zeit vieles. „Work in Progress“ sozusagen. Außerdem verfolge ich das Prinzip „less is more“. In meinem Schlafzimmer gibt es nur ein Bett, einen Stuhl und einen Nachttisch. Mehr brauche ich nicht.

Gerald Schriebl Innenarchitektur Galerie

Wordrap

Mein Vorbild im Interior Design: Peter Marino ist einer der ganz Großen sowie Christian Liaigre. Außerdem Kelly Whearstler, die einfach irrsinnig kreativ ist. In Österreich fasziniert mich natürlich Adolf Loos.

Lech und Zürs sehe ich in den kommenden 50 Jahren ... sehr stimmig und mit vielen Gästen.

Earl Grey oder Wiener Melange? Earl Grey, oder noch lieber English Breakfast, aber bitte aus der Teekanne!

Kitsch finde ich ... sympathisch, humorvoll und sentimental.

Darum liebe ich meinen Beruf: Weil ich viel reisen und neue Menschen auf einer sehr persönlichen Ebene kennenlernen kann.

Inside story

Als Innenarchitekt ist Gerald Schriebl heute vor allem in Österreich und Großbritannien tätig. Nach seiner Ausbildung am renommierten Central Saint Martins College sowie am Chelsea College of Arts in London arbeitete der gebürtige Zuger zehn Jahre in der britischen Metropole, unter anderem für Stars der Szene wie David Collins und Collett-Zarzycki. 2013 kehrte er in seine Heimat zurück und gründete das Ingenieurbüro für Innenarchitektur schriebling in Lech am Arlberg und Wien. In Lech und Zürs war Gerald Schriebl maßgeblich am Umbau des Boutiquehotels Schmelzhof und des Hotels Sonnenburg beteiligt.


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