Wenn weniger sehr viel mehr ist
© Tim Hall

Wenn weniger sehr viel mehr ist

Interview mit Tim Hall

Der britische Fotograf Tim Hall legt seinen Fokus auf Reise-, Landschafts- und Porträtfotografie. Für den aktuellen Katalog des Kitz­büheler Fashion-Labels Frauenschuh unternahm er aufwendige Foto-Touren in die Bergwelt der Region. Im Interview mit LA LOUPE spricht er über den Workflow zum perfekten Bild und schwärmt von alpinen Gipfeln und bildschönen Aussichten.

L.L./ Worin liegt für den Fotografen der Unterschied, ob er Menschen oder Landschaften ablichtet?

T.H./ Mit der Landschaft kommuniziert man weniger. Dafür ist man viel mehr vom richtigen Wetter abhängig.

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L.L./ Wie erging es Ihnen bei Ihren letzten Landschaftsaufnahmen im Raum Kitzbühel?

T.H./ Ich war im März und Mai 2015 dort und hatte beide Male Glück. Die vorbeiziehenden Wolken und der Nebel, die das Wetter bestimmten, halfen mir dabei, meinen Arbeiten eine gewisse mystische Qualität zu verleihen und sie einen Schritt weit von der Realität zu entfernen.


L.L./ Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit den Menschen in Kitzbühel? Gab es „Location-Scouts“ für Ihre Aufnahmen?

T.H./ Ich wurde von einem großartigen Team begleitet. Anders fungiert als Art-Director und Penni, die Kreativchefin der Marke Frauenschuh, haben mich geführt. Gemeinsam verbrachten wir eine Woche damit, den Wolken hinterherzujagen.

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L.L./ Ihre Bilder werden für den aktuellen Winter-Katalog der Kitzbüheler Marke Frauenschuh verwendet. Welche Werte verbindet das Label mit ihrer Arbeit?

T.H./ Bei Frauenschuh dreht sich alles um handgefertigte, lokal produzierte und qualitativ hochwertige Produkte aus natürlichen Materialien. Meine Arbeit zeigt die Reinheit eines Ortes und die Emotionen, die aus der Verbindung mit der Natur entstehen. Ich schätze unsere Kooperation sehr und finde, die Marke Frauenschuh und ich passen perfekt zueinander.


L.L./ Zu welcher Tageszeit schießt man das perfekte Foto?

T.H./ Das hängt vom Wetter ab und davon, was ich mit dem Bild erreichen möchte. Die Abenddämmerung liebe ich ganz besonders.

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L.L./ Sie haben eine „Best of the Alps“-Collection heraus­gegeben. Was macht für Sie die Faszination der Alpen aus?

T.H./ Ich lebe in London. Wenn ich in die Berge reise, überkommt mich dieses überwältigende Gefühl der Erregung und der Freiheit. Ich liebe es, beim Wandern oder Skifahren Kraft und Energie zu tanken. Aber auch mit dem Auto erkunde ich die Alpen immer wieder gern.

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L.L./ Wie würden Sie Ihre ganz persönliche Bildsprache am besten beschreiben?

T.H./ Ich würde meine Arbeit als eine ganz einfache Botschaft verstehen, mit der ich das fast unbeschreibliche Gefühl, ganz und gar in die Natur einzutauchen, vermitteln möchte. Es gefällt mir, den Maßstab der Menschen im Vergleich zur Landschaft darzustellen. Ich glaube, dass es oft mehr Wirkung hat, die Dinge nur anzudeuten. So bleibt Raum für Phantasie.

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L.L./ Welche fotografische Herausforderung würden Sie als besonders schwierig bezeichnen?

T.H./ Für mich ist es die größte Herausforderung, neue Perspektiven an Orten, wo schon viele Aufnahmen getätigt wurden, zu finden.

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L.L./ Haben Sie sich auf der Jagd nach der perfekten Aufnahme schon einmal in Gefahr begeben?

T.H./ Ich habe mal ein paar Helikopteraufnahmen gemacht, bei denen die Tür ausgehängt wurde und ich nur auf dem Holm stand. In Anbetracht der Tatsache, dass ich unter leichter Höhenangst leide, war das eine ziemliche Herausforderung für mich.


L.L./ Sie reisen für Ihre Jobs sehr viel. Wie bereiten Sie sich auf eine Fotoreise vor und was fasziniert sie am „Nomadenleben“?

T.H./ Das Reisen an sich ist für mich nach wie vor sehr spannend. Ich liebe es, an Orte zu kommen, an denen ich nie zuvor war und sie auf eigene Faust zu entdecken. Das Nomadenleben ist manchmal einsam, aber ohne Ablenkung erziele ich die besten Ergebnisse. Was ich besonders gerne mag, ist durch die Berge zu fahren und dabei die schönsten Ausblicke zu entdecken.

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© Tim Hall | Frauenschuh

L.L./ Wie beschreiben Sie ihren persönlichen Workflow von der Locationsuche bis hin zum perfekten Bild?

T.H./ Ich recherchiere zuhause nach guten Locations. Dabei versuche ich, mir keine Fotografien anzusehen, die andere von den jeweiligen Szenerien gemacht haben. Mir ist es wichtig, ohne vorgefertigte Meinung an einem Ort anzukommen. Ich möchte ganz und gar neue Bilder in meinen Kopf entstehen lassen. Beim Fotografieren selbst höre ich auf meine Instinkte. Ich beobachte das Wetter und folge den Wolken. Manchmal verbringe ich einen ganzen Tag damit und es kommt nichts dabei raus. Und dann gibt es ein Wetterfenster, in dem ich viele tolle Momente in kürzester Zeit einfangen kann. Im Anschluss lasse ich die Bilder gerne eine Woche auf meinem Computer „ruhen“, bevor ich mit der Bearbeitung beginne. Die Arbeit fällt viel leichter, wenn ein bisschen Zeit vergangen ist und man nicht mehr ganz so emotional mit dem Material verbunden ist.


L.L./ Wie kamen Sie zur Fotografie?

T.H./ Mein Vater hat mir zum 18. Geburtstag eine Kamera geschenkt und es war um mich geschehen. Ich habe zusätzlich an der Universität für ein Musik-Bildarchiv gearbeitet – und nie wieder aufgehört, mich mit dem Thema Fotografie zu beschäftigen.

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L.L./ Wie finden Sie die Balance zwischen eigenem Geschmack und Kundenwünschen?

T.H./ Die meisten meiner Bilder mache ich spekulativ und verkaufe sie später. Wenn ich für ein Shooting engagiert werde, fotografiere ich die verlangten Motive in meinem eigenen Stil.


L.L./ Was möchten Sie den Betrachtern Ihrer Fotografien vermitteln?

T.H./ Ich versuche, meine Interessen und Gefühle durch meine Arbeit auszudrücken. Manchmal ist das nicht ganz einfach.

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Welches Modell war Ihre erste Kamera? Und womit fotografieren Sie jetzt am liebsten? Mein erstes Gerät war eine Canon AE1. Heute benutze ich bevorzugt eine Hasselblad HD50.

Wie stellen Sie Ihr Equipment für Landschafts- und Naturfotografien zusammen? Ich verwende zwei Linsen und ein Stativ. Dazu Rucksack und ein Paar gute Wanderschuhe oder Ski.

Hat analoge Fotografie einen Platz in der Arbeitswelt des Tim Hall? Ich habe erst im letzten Jahr mein Equipment auf digitale Fotografie umgestellt und bin noch in der Orientierungsphase. Ich liebe Film immer noch.

Welche neuen Ziele und Projekte liegen vor Ihnen? Ich möchte ein ganzes Projekt zum Thema Alpen umsetzen und daraus ein Buch und eine Wanderausstellung machen. Das Ganze könnte eine Weile dauern.

Mein liebstes Motiv? Wenn sich die Wolken nach einem Schneefall lichten.

​Meine abenteuerlichste Reise? Entlang des Chindwin Flusses an der Grenze von Nagaland bis hinauf nach Burma.

​Ein besonderer Platz in oder rund um Kitzbühel? Die Spitze des Hahnenkammes.

​Meine verrückteste Idee? Ein portables Studio in der Mitte von Kumb Mela in Indien aufzubauen.

Ein passender Werbeslogan für meine Fotografien? Weniger ist mehr.


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