Olympisches Dorf Lech

Wenn ein Ort mit 1.500 Einwohnern vier Olympiasieger im Alpinen Skirennsport hervorbringt, ist das wohl kein Zufall mehr. Seit den legendären Arlberger Ski-Pionieren wird hier mit großer Begeisterung und konsequenter Förderung durch den Ski-Club Arlberg ein Erfolgskapitel nach dem anderen geschrieben. Ein Rückblick auf ingesamt fünf Goldmedaillen!

„St. Moritz 1948 war für mich ein Kulturschock. Zu Hause kämpften wie nach dem Krieg um das Notwendigste, hier gab es – nur ein paar Kilometer entfernt – Kaffee mit Schlagrahm und Malakofftorte. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl, privilegiert zu sein.“
Trude Jochum-Beiser
Trude Jochum-Beiser, Othman Schneider

Trude Jochum-Beiser, Othmar Schneider, Egon Zimmermann und Patrick Ortlieb: Diese großartigen SkiläuferInnen haben den einzigartigen sportlichen Ruf von Lech Zürs mitbegründet und gefestigt. Trude Jochum-Beiser (Jahrgang 1927) hat für die Skination Österreich die erste Goldmedaille der Geschichte geholt und ist mit ihren beiden Siegen Österreichs erfolgreichste Olympionikin. Das kleine Mädchen aus einer 13-köpfigen Familie hat sich in unglaublicher Manier zu einem Weltstar hochgearbeitet. Obwohl es nur ein Paar Ski für 11 Kinder gab, trainierte die ehrgeizige Trude jede freie Minute und zeigte bald ebenso großes Talent wie Verwegenheit. Bei der Olympiade 1948 in St. Moritz, zu einer Zeit, in der auch Familie Beiser noch hart um das Notwendigste kämpfen musste, holte sich die junge Skirennläuferin Silber in der Abfahrt und Gold in der Kombination – ein Traum wurde wahr!

„Othmar verkörperte die ideale Kombination aus technischem Können, Intelligenz und Draufgängertum.“
Trude Jochum-Beiser über ihren Trainingspartner Othmar Schneider
Patrick Ortlieb, Egon Zimmermann

Siege für die Ewigkeit

Grenzenloser Jubel erfasst Lech Zürs auch bei der nächsten Olympiade 1952 in Oslo. Diesmal ist auch der zielstrebige Othmar Schneider (1928-2012) mit dabei. Und während Trude Jochum-Beiser am Höhe- und zugleich Schlusspunkt ihrer Karriere Abfahrtsgold für Österreich holt, schlägt ihr Trainingspartner Othmar Schneider im Slalom den norwegischen Favoriten Stein Eriksen um 1,2 Sekunden. Die Heimkehr der beiden Skihelden gestaltet sich als Volksfest und tausende begeisterte Menschen säumen die Straßen! Ebenso unvergessen bleibt Egon Zimmermanns Husarenritt 1964 über die vereiste Abfahrtspiste am Patscherkofel bei Innsbruck. Schlimme Stürze bereits im Training, kaum Sicherheitsvorkehrungen, im Vergleich zu heute unglaublich schlichtes Material – von alldem ließ sich der junge Draufgänger (Jahrgang 1939) nicht beeindrucken. Wieder Gold für Lech! Und dann heißt es ein Stück vorblättern in der Geschichte, genauer gesagt 28 Jahre, bis Patrick Ortlieb das Seine zur einzigartigen Olympia-Bilanz von Lech Zürs beiträgt (siehe anschließendes Interview). Kein anderer Ort in Österreich glänzt so golden wie dieses skiverrückte Dorf am Arlberg!

„Die Trude und der Othmar, für uns waren das Halbgötter. Das ganze Land hat 1952 über ihre Olympiasiege geredet.“
Egon Zimmermann

Die Lecher Olympiasieger auf einen Blick

OLYMPIASIEGER AUF EINEN BLICK

1948 in St. Moritz: Gold in der Kombination für Trude Jochum-Beiser

1952 in Oslo: Gold in der Abfahrt für Trude Jochum-Beiser

1952 in Oslo: Gold im Slalom für Othmar Schneider

1964 in Innsbruck: Gold in der Abfahrt für Egon Zimmermann

1992 in Albertville: Gold in der Abfahrt für Patrick Ortlieb

„Wenn Olympische Spiele vor der Türe stehen, kannst du zwar den Lässigen geben, nur nimmt es dir keiner ab.“
Egon Zimmermann

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Patrick Ortlieb

Und Patrick Ortlieb hat es geschafft: 1992 in Albertville holte sich der Lecher Abfahrtsspezialist Gold in dieser Disziplin. Für den Abfahrtsweltmeister von 1996, 4-fachen Weltcupsieger und 6-fachen Österreichischen Meister das absolute Highlight in seiner Karriere! Mit La Loupe plaudert er über die Bedeutung (s)eines Olympiasieges.

L.L./ Wie oft denken Sie heute noch an den 9. Februar 1992?

P.O./ Ein Olympiasieg bedeutet natürlich für einen jungen Sportler extrem viel. Es ist das Größte, was man sportlich erreichen kann. Und ehrlich gesagt denke ich nach wie vor oft daran. Man braucht aber auch ein gewisses Alter und etwas Abstand, um diesen Erfolg richtig zu schätzen. Als ich damals Olympiasieger wurde, dachte ich: „Das ist ein Rennen wie jedes andere, beliebig und x-fach wiederholbar, was machen die Leute nur für ein Aufsehen?“ Im Nachhinein betrachtet war es doch etwas ganz Besonderes und ich befinde mich in einem elitären Kreis, was Olympiasieger in Österreich anbelangt. Die meisten kommen ja sogar aus meinem Heimatort Lech!

L.L./ Spürten Sie damals nach der Goldmedaille, dass Lech stolz war auf Sie?

P.O./ Der Empfang zu Hause war grandios! Es war ein wunderschöner, tief verschneiter Wintertag. Wir sind mit einer Pferdekutsche durch den Ort gefahren – meine Eltern waren auch dabei – und es beeindruckte mich sehr, wie viele Leute auf der Straße waren. Ich hatte gar nicht gewusst, dass die Lecher sooo skibegeistert sind! Es war eine schöne Zeit und ich hoffe natürlich, dass diese Begeisterung noch sehr lange anhält.

L.L./ Vier Olympiasieger hat Lech hervorgebracht. Fühlen Sie sich mit den drei anderen – zwei leben noch – auf spezielle Art verbunden?

P.O./ Wir sind natürlich diejenigen, die sich eine Goldmedaille um den Hals hängen lassen durften – und dieses tolle Gefühl verbindet. Heute trifft man sich gelegentlich bei Veranstaltungen, Ehrungen und anderen großen Empfängen. Aber die intensivste Beziehung für mich war das Olympiadenkmal am Schulhof in Lech. Damals als Schüler habe ich jeden Tag darauf geblickt und gedacht: Da möchte ich auch mal drauf stehen! Und ich habe es geschafft. Heute steht mein Name auf derselben Siegertafel wie meine Vorbilder.

L.L./ Wo bewahren Sie eigentlich Ihre Goldmedaille auf?

P.O./ Ich wollte keine Standardvitrine, sondern habe mir eine schöne Statue gestalten lassen, die in der Hotellobby die Medaille präsentiert. Der Sockel der Pyramide ist ein Stein von jenem Berg in Frankreich, wo das Rennen stattgefunden hat. Ein regionaler Künstler hat ein kleines Kunstwerk daraus geschaffen. Es gefällt mir jeden Tag wieder, wenn ich daran vorbeilaufe!

L.L./ Wie haben Sie den Übergang von der Sportlerkarriere zum Hotelier empfunden?

P.O./ Es war kein abrupter Wechsel, nur die Zeitverteilung hat sich eben geändert. Ich habe ja immer hier gelebt, war auch während meiner aktiven Karriere immer in Lech und habe im Sommer oft mitgearbeitet. So bin ich in den elterlichen Betrieb hineingewachsen und habe den Beruf von der Pike auf gelernt. Mit der Zeit habe ich immer mehr Agenden von meinen Eltern übernommen und so kam es zu einem fließenden Übergang. Ich lebe nun hier mit meiner Familie, meine Frau arbeitet auch mit. Wir machen es gemeinsam und sehr gerne!

L.L./ Kommen manche Gäste speziell deswegen, um mal einem Olympiasieger persönlich die Hand zu schütteln?

P.O./ Selbstverständlich gibt's das auch, aber ich glaube nicht, dass jemand nur deshalb unser Haus auswählt. Der Olympiasieg erleichtert es vielleicht, medial präsent zu sein. Aber schlussendlich müssen Qualität, Service und Hardware stimmen. Der Gast soll sich einfach wohlfühlen, darauf achte ich sehr.

L.L./ Und gibt's Momente, in denen Sie sich zum Trainieren und Skifahren zurücksehnen?

P.O./ Wir sind in der glücklichen Lage, direkt an der Skipiste zu leben. Somit ist Skifahren ein Fixpunkt an meiner Tagesordnung. Ich bemühe mich, täglich mindestens 1-2 Stunden im Skigebiet unterwegs zu sein. Wenn ich die Bedingungen am eigenen Leib erfahre, kann ich viel offener mit dem Gast kommunizieren. Es ist ja so: Der ganze Ort lebt vom Wintersport, deswegen sollen wir Lecher selbst den Sport auch leben. Ich versuche, mit so vielen Einheimischen wie möglich ins Gespräch zu kommen und sie darauf hinzuweisen, dass Skifahren einfach das Schönste und Beste ist! So sehr andere Mode-Sportarten ihre Daseinsberechtigung haben, das Skifahren ist einfach unser Hauptelexier hier in Lech. Und das muss den Gästen auch vorgelebt werden!

L.L./ Sie sind bislang der letzte Olympiasieger aus Lech. Wagen Sie eine Prognose, wann es den nächsten geben könnte?

P.O./ Es ist schwierig zu sagen, wer der oder die nächste sein wird. Der Skiclub Arlberg arbeitet jedenfalls ganz massiv und höchst professionell daran, junge AthletInnen auszubilden und auf große Dinge vorzubereiten. Wir sind am richtigen Weg und haben eine kompakte, gute Mannschaft, die vielleicht schon in Pyeongchang 2018 wieder ganz vorn dabei ist. Mit ein bisschen Glück ist alles möglich! Wir bekommen dafür viel Unterstützung aus Lech, wofür ich mich auch bedanken möchte. Das ist nicht selbstverständlich. Aber wie gesagt: Skifahren ist, worum es geht! Damit haben wir uns positioniert, damit können wir uns präsentieren!


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